Abwesenheitsnotiz – Lisa Owens

Abwesenheitsnotiz von Lisa Owens

Die moderne Welt bietet uns so viele Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung – doch ist diese Freiheit tatsächlich so groß wie gedacht?

Ich habe den Klappentext gelesen und hatte das Gefühl, dies hier wäre ein Buch, das mir in meiner eigenen (kommenden) Phase der Sinnsuche aus der Seele spricht. Mal wieder ein Spontankauf.

Wenn Claire Flannery eines weiß, dann, dass sie für ihr Glück alleine verantwortlich ist. Claire ist Mitte zwanzig, lebt in London und hat einen Freund, der ziemlich viel arbeitet. Claire selbst hat sich gerade ausgeklinkt, ihren Job gekündigt. Weil der nicht zu ihr gepasst hat. Aber: Was passt eigentlich so richtig zu ihr?  Quelle

Claire ist auf der Suche. Ich lerne sie kennen, als sie sich bereits in dieser Phase befindet und weiß nicht, was sie dorthin getrieben hat, was an ihrem Job falsch war. Vielleicht ist es der Kontrast zu ihrem Freund, der als Assistenzarzt im Bereich der Hirnchirurgie arbeitet. Vielleicht neigt Claire dazu, sich zu sehr mit anderen zu vergleichen, ohne tatsächlich hinter die perfekte Fassade zu blicken. Auf jeden Fall ist sie nun eine Gestrandete, die sich ziellos durch das Leben treiben lässt, getrieben von der Frage: Was ist es, was mich auszeichnet? Was will ich tun? Wie kann ich mich selbst verwirklichen?

»Hast du bei der Arbeit gerade viel zu tun?«
»Das ist … ein bisschen kompliziert«, sage ich. »Ich nehme mir gerade eine Auszeit. Also, freiwillig, ich wurde nicht entlassen.«
»Ah.« Er nimmt die Brille ab und lehnt sich auf seinem Stuhl zurück, haucht auf die Gläser und putzt sie mit einem Taschentuch. »Manchmal – wenn wir zu viel Zeit haben – machen wir uns unnötig Gedanken um unsere Gesundheit. Wenn uns die tägliche Ablenkung durch die Arbeit oder«, er deutet auf meinen Bauch, »eine Familie fehlt, kann das unseren Fokus sehr … einengen.«
 Abwesenheitsnotiz, Lisa Owens, Seite 53

Dabei trifft sie auf viel Unverständnis und auch Widerstand. Es ist, als wäre sie nach ihrem freiwilligen Ausstieg plötzlich ein Feind, weil sie den normalen Lebensentwurf hinterfragt und etwas tut, was sich andere nicht trauen, auch wenn sie es sich nicht eingestehen mögen. So flüchten sich viele in mitleidige Blicke und spöttische Kommentare, als wäre es nicht legitim, als Mittzwanziger auf Sinnsuche zu gehen. Doch dies reißt Claire nur noch weiter hinab und lässt sie an allem zweifeln.

Das Buch ist tatsächlich wie aus dem Leben gegriffen. Es hat mir Spaß gebracht, Claires Alltagsbeobachtungen zu verfolgen, ihre verschrobene Suche. Gleichzeitig ist es aber auch traurig, diese Entwicklung zu verfolgen. Zu sehen, wie Claire immer tiefer fällt, wie schwer es ihr von ihrem Umfeld gemacht wird und wie sie dadurch immer verzweifelter wird und dies in einer extremen Zickigkeit und Dünnhäutigkeit äußert. Und wieder einmal wird einem am Ende bewusst, dass es helfen würde, einmal offen über alles zu sprechen.

24/7

Das innere Monster zu verbergen ist an sich schon ein Vollzeitjob. Abwesenheitsnotiz, Lisa Owens, Seite 132

Mir gefiel der Aufbau mit den kleinen Alltagsbeobachtungen, mir gefiel die Sprache, die direkt und klar ist, mir gefielen die Protagonisten. Einziger Wermutstropfen: Das Ende fühlte sich für mich ein wenig zu schnell abgehandelt und zu einfach an.

Der Roman ist beim Piper Verlag unter der ISBN 978-3-492-05747-9 erschienen.

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