The Circle – Dave Eggers

Dave Eggers - The Circle

Eine Zukunftsvision, die gar nicht mehr so weit von uns entfernt ist und einem deutlich macht, wie wichtig Privatsphäre auch bei sozialen Netzwerken ist.

Das Buch ist vor einiger Zeit in aller Munde gewesen, von Literaten kritisiert, von den Lesern gelobt (zumindest war das mein Eindruck). Das Taschenbuch steht nun schon länger in meinem Regal und jetzt habe ich es mir endlich vorgenommen.

Die 24-jährige Mae Holland ist überglücklich. Sie hat einen Job ergattert in der hippsten Firma der Welt, beim »Circle«, einem freundlichen Internetkonzern mit Sitz in Kalifornien, der die Geschäftsfelder von Google, Apple, Facebook und Twitter geschluckt hat, indem er alle Kunden mit einer einzigen Internetidentität ausstattet, über die einfach alles abgewickelt werden kann. Mit dem Wegfall der Anonymität im Netz – so ein Ziel der »drei Weisen«, die den Konzern leiten – wird es keinen Schmutz mehr geben im Internet und auch keine Kriminalität. Quelle

Payback, Facebook, Big Data – rasant schreitet die Entwicklung der modernen Datenerfassung und -auswertung voran. Wir werden immer transparenter, aber noch sind die Daten anonymisiert oder zumindest pseudonymisiert. In Dave Eggers Zukunftsvision ist die Gesellschaft einen Schritt weiter: Anonymität im Internet gibt es nicht mehr, jeder Mensch besitzt nur ein Onlineprofil und jeder seiner Schritte wird registriert. Realisiert wurde dies von „The Circle“, einem gigantischen Digitalkonzern und gleichzeitig der Olymp der Arbeitswelt. Wer es hierhin schafft, hat ausgesorgt.

Die Zukunftsvision vom Ende der Privatheit wirkt dabei erschreckend nah und an keiner Stelle abwegig oder bizarr, wie man es von anderen Zukunftsvisionen kennt. All das ist so vertraut und viele der Überlegungen wären in der Realität umsetzbar. Wir sind nur noch wenige Schritte entfernt und gerade das macht den Roman so erschreckend. Dave Eggers zeigt, was die Entwicklung, in der wir uns befinden, für Folgen haben kann. Und das auf eine sehr fesselnde Weise.

Aber nicht nur die Zukunftsvision von der allumfassenden Öffentlichkeit steht im Fokus, sondern auch die Methoden, mit denen ein Unternehmen Menschen an sich binden kann. Gamification, Ratings, die Arbeitswelt wird reduziert auf diese einfachen Mechanismen, die die Menschen dazu antreiben, immer höher, schneller, weiter zu gehen. Diese Schilderungen der Arbeitswelt im Circle habe ich beinahe als noch erschreckender empfunden als die Social-Media-Entwicklung. Diese Teile haben mich immer weiterlesen lassen. Maes Einstieg in die Arbeitswelt vom Circle war geprägt von aufgesetzter Menschlichkeit durch die Vorgesetzten, die doch durch Standardansagen geprägt war, von so vielen Angeboten, dass man sie beinahe gar nicht alle wahrnehmen konnte, und von einer schrecklich faden Arbeitsroutine, die nur durch das Rating-System zum Weitermachen animierte. Das wirkte tatsächlich an vielen Stellen bizarr. Und gleichzeitig ist mir bewusst, dass es vermutlich genau so funktionieren kann, Menschen zu motivieren.

Die Mitarbeiter des Circle fühlen sich in ihrer großen Masse erstaunlich nah, doch der Leser sieht, wie weit sie eigentlich voneinander entfernt sind. Sie alle sind „befreundet“, obwohl sie in der Realität keine wirkliche Verbindung zueinander haben, abgesehen von der Online-Vernetzung. Bei aller Privatheit werden die Beziehungen immer oberflächlicher und nur pseudo-persönlich. Maes Entwicklung zeigt das sehr gut: Nur weil ich jemandem 24 Stunden am Tag folgen kann, heißt es nicht, dass ich weiß, was er denkt oder fühlt.

All diese Darstellungen haben mich mitgerissen und seit langem habe ich wieder nachts stundenlang gelesen. Und das ist ein wirklich großes Lob!

Aber das Buch hat auch einige Mängel. Zum einen gelang es mir nicht, mich in die Gefühlswelt von Mae einzufühlen. Der Schreibstil ist sehr distanziert und leider gibt es auch mehr „Tell“ als „Show“, gerade in Bezug auf Maes Gefühle. Ich merke nicht, dass Mae aufgeregt ist, ich bekomme es gesagt. Und das funktioniert für mich als Leser leider gar nicht.

Aus dem Grund kann ich auch die Faszination von Mae über „The Circle“ am Anfang nicht nachvollziehen. Das Unternehmen kommt einem von Beginn an nicht ganz geheuer vor und die Begeisterung von Mae hat sich niemals wirklich echt und verständlich angefühlt, eher wie ein „ja, es ist jetzt ganz toll“. Genauso ging es mir auch mit den anderen Personen oder Maes Verbindung zu ihnen, alles bleibt sehr flach. Nur selten gibt es einige emotionale Szenen. Vielleicht ist es auch Absicht, vielleicht soll genau diese Schreibweise die Oberflächlichkeit der Circle-Gesellschaft darstellen. Ich weiß es nicht. Aber für mich als Leser war es ein bisschen zu … Snack-mäßig. Man liest es, aber es berührt nichts.

Die inhaltliche Entwicklung fand ich sehr spannend. Am Anfang dachte ich mehrfach, dass es nicht schlimmer werden kann. Schon die anfänglichen Darstellungen fand ich gruselig – auch wenn es nicht so weit weg von den heutigen Entwicklungen ist – aber es konnte sich tatsächlich noch weiter steigern. Das hat mich sehr fasziniert, wie konsequent Dave Eggers das Konzept der allumfassenden Öffentlichkeit immer weiter auf die Spitze treibt. Ein kleines Manko: Ein großer Plot-Twist (der mysteriöse Fremde) war am Ende nicht besonders überraschend.

Trotz der Kritikpunkte kann ich das Buch jedem nur ans Herz legen. Es zeichnet eine nahe Zukunftsvision, die jeden zum Nachdenken anregen sollte. Social Media und Vernetzung haben ihre guten Seiten, aber wir sollten unseren kritischen Blick niemals verlieren und alles hinterfragen, um nicht die Wahrnehmung für unsere eigene Individualität und die zwischenmenschlichen Beziehungen zu verlieren.

Der Roman ist beim KiWi Verlag unter der ISBN 978-3-462-04854-4 als Taschenbuch erschienen.

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