Alle Geschichten, die ich kenne – Dagny Gioulami

Ein skurriler Roadtrip nach Griechenland und viele unterschiedliche Charaktere mit den verschiedensten Geschichten: Das sind die Zutaten für ein optimistisches Buch über das Leben und seine Irrungen und Wirrungen.

Alle Geschichten, die ich kenne – Dagny Gioulami

Es ist „eine verrückte Geschichte“ wurde mir erzählt. Verrückt klingt immer gut, dachte ich und griff zu.

Es beginnt in Zürich, in einer chemischen Reinigung, deren neue Besitzerin vom Pech verfolgt scheint. Um sie zu retten, bricht eine ihrer Kundinnen, die Ich-Erzählerin, zu einer Reise in das Heimatland ihrer Familie auf: nach Griechenland. Sie setzt ihre Hoffnung auf Tante Irini, eine begnadete Schneiderin, die in einem geheimnisvollen Bund mit dem Schicksal steht … Quelle

Schon nach den ersten Seiten war ich gefangen und muss gleichzeitig der Beschreibung des Buches zustimmen: Es ist tatsächlich verrückt. Ein skurriler Roadtrip, der voller Geschichten steckt, die einerseits sehr schräg erscheinen und andererseits wie aus dem Leben gegriffen. Gleichzeitig transportiert der Roman einen unglaublichen Optimismus. Wir können unser Leben gestalten, auch wenn wir wie vom Pech verfolgt sind. Ein Weg muss nicht immer gerade sein und nicht immer ist das Ziel das tatsächliche Ziel.

»Sie will es nicht neu nähen. Dabei sollte sie. Es ist ihr Beruf. Die Hochzeit der Schwester, die Mutter, die Tante …«
»Ich habe euch durch das Teleskop gesehen. Sie will nicht«, sagt der tätowierte Polizist.
»Sie weiß es nicht.«
»Es ist nur ein Kleid.«
»Es ist der Schlüssel zu ihrem Schicksal. Ich habe den Schlüssel zu ihrem Schicksal in der Hand.«
 Alle Gesichten die ich kenne, Dagny Gioulami, Seite 30

Der Roman ist sehr lebendig geschrieben, sodass man ihn wirklich gut in einem Rutsch durchlesen kann. Die Dialoge sind immer wieder überraschend, ebenso wie die Handlung, und dadurch sehr unterhaltsam. Ich bin der Ich-Erzählerin und ihrem Begleiter, dem tätowierten Polizisten, gerne durch Europa gefolgt, auch wenn sie mir beide bis zum Ende ein kleines Rätsel blieben. Doch dieses Rätsel hat seinen Reiz, denn obwohl ich sie nicht kenne, bin ich ihnen während der Reise doch sehr nahe gekommen. Und das, obwohl der Schreibstil auf jegliche Introspektive der Ich-Erzählerin verzichtet. Manchmal sagt eine Handlung oder ein Dialog genug aus.

Alle Charaktere wirken auf ihre ganz eigene Art schrullig, sie alle haben ihre Eigenheiten und Ansichten, die sie mit aller Vehemenz vertreten. Dadurch wirken sie unglaublich lebendig. Besonders die sture Tante Marianthi hat es mir angetan. Allerdings muss ich gestehen, dass ich bei den vielen griechischen Verwandten und ihren Verwandtschaftsverhältnissen manchmal den Überblick verloren habe. Der tätowierte Polizist, der in jedem anderen Buch mysteriös und seltsam wirken würde, erscheint hier tatsächlich als einzig normale Person. Ohne zu fragen, ohne zu diskutieren, akzeptiert er jede Person – inklusive der Ich-Erzählerin – so wie sie ist. Er handelt ohne erkennbaren Eigennutz, ein wahrer Freund, und ist damit für mich die sympathischste Person im ganzen Roman.

Am besten gefiel mir persönlich an diesem Roman die Lebensfreude und der Optimismus, die die Handlung beherrschten. Und das obwohl viele Charaktere es -– besonders vor dem Hintergrund der griechischen Krise, die immer wieder durchklang – nicht immer ganz einfach hatten und haben. Ein erfrischend anderes und lebendiges Buch.

„Alle Geschichten, die ich kenne“ von Dagny Gioulami ist unter der ISBN 978-3-86337-073-2 bei weissbooks.w erschienen.

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