Drei mal wir – Laura Barnett

Was wäre wenn? Welchen Einfluss eine einzige Entscheidung auf unser ganzes Leben auswirken kann, zeigt das Debüt von Laura Barnett in einem gar nicht so optimistischen Roman, der mich leider nicht überzeugen konnte.

Drei mal wir – Laura Barnett

Ich liebe „Was wäre wenn?“-Geschichten, sei es in Film- oder in Buchform. Vielleicht liegt es daran, dass ich selber dazu neige, mir für eine Situation verschiedenste mögliche Verläufe vorzustellen. Tief im Herzen glaube ich wohl an die Parallelwelten – oder will zumindest daran glauben. Also hat auch das Debüt von Laura Barnett mein Interesse geweckt.

Eva und Jim sind neunzehn und Studenten in Cambridge, als ihre Wege sich 1958 zum ersten Mal kreuzen. Eine Fahrradpanne führt die beiden zusammen. Was dann passiert, wird den Rest ihres Lebens bestimmen.
Wir folgen drei unterschiedlichen Versionen ihrer Zukunft, zusammen und getrennt. Quelle

Alles beginnt mit einem Hund. Evas Begegnung mit diesem Hund und ihr Verhalten lösen drei verschiedene mögliche Optionen ihrer Zukunft aus, die in dem Buch von Anfang bis Ende beschrieben werden. Dabei werden bestimmte Schlüsselmomente oder -zeiten herausgegriffen, die dann in den drei Versionen nacheinander dargestellt werden. Diese Konstruktion weist allerdings große Schwächen auf: Sie verwirrt nicht nur sondern verhindert auch, dass man sich richtig auf die Version einlassen kann.

Laura Barnett zeigt, dass die schreiben kann: Der Schreibstil ist sehr atmosphärisch und dicht. Immer wieder werden Beschreibungen genutzt, die die Situation greifbar machen. Auf die Sinne legt die Schriftstellerin großen Wert. Hier kann man wirklich nicht viel kritisieren, alles liest sich locker und angenehm und man kann in die Szenen eintauchen – wenn man nicht immer wieder abrupt rausgerissen werden würde. Irgendwann wandelt sich der Stil leider auch und wird immer mehr zu komprimierten Zusammenfassung (Was ist in den letzten Jahren passiert?). Das ist sehr schade, aber aufgrund der Konstruktion nicht anders zu lösen.

Dennoch halte ich dieses Buch nur bedingt für eine gute „Was wäre wenn“-Geschichte. Der Anfang mit der Begegnung mit dem Hund beginnt vielversprechend, doch anschließend ergeben sich keine derartigen Situationen mehr. Die verschiedenen Leben driften weit auseinander, haben nur noch selten Verbindungspunkte. Es ist eine Geschichte, die zeigt, wie sich das Leben in Abhängigkeit von einem Menschen anders entwickeln kann, aber es zeigt keine verschiedenen Entscheidungssituationen auf, die das Leben verändern. Und gerade dies ist es, was mich an dieser Art von Geschichten sonst so erzählt (man denke nur an „Lola rennt“ – grandios!). Hier fehlen mir diese Parallelen. Fairerweise muss man sagen, dass der Klappentext des Buches das auch so kommuniziert hat.

So geht es im Kern aber nur um eine Entscheidung, die das Leben bestimmt. Nach dieser einen zentralen Entscheidung haben die Leben und Charaktere nicht mehr viel miteinander gemein. Es ist dennoch spannend zu lesen, aber ich frage mich, ob dann nicht drei hintereinander erzählte Geschichten mit diesem veränderten Ausgangspunkt spannender gewesen wären. So war der Wechsel teils sehr abrupt und man musste sich immer wieder umstellen, um die jeweilige Szene richtig einzuordnen. Trotz wunderbarer farblicher Kennzeichnung im Buch war es mir fast ein wenig zu viel Unruhe und ich hätte mich lieber auf eine durchgängig erzählte Geschichte eingelassen als auf dieses Hin und Her.

Obwohl ich schreibe, dass die Leben und Charaktere nicht viel miteinander gemein haben, wurde alles in meinem Kopf ein großes Mischmasch. Besonders gegen Ende ist alles immer weiter verschwommen. Denn in ihrem Kern bleibt alles sehr klassisch: Mann und Frau kommen zusammen, es gibt Probleme, ein Auf und Ab, Kinder, noch mehr Auf und Ab. Nichts sticht besonders hervor aus diesen Verläufen.

Gleichzeitig fiel es mir tatsächlich schwer, Jim und Eva in den jeweiligen Versionen in ihren Charakterzügen wiederzuerkennen. Bei Eva gelang es noch leichter, weil sie in gewisser Weise immer nur in Abhängigkeit von ihren Beziehungen reagiert und sich darin ein Muster erkennen lässt, doch Jim wirkte häufig wie eine völlig veränderte Person. Dies kann man nun als Aussage begreifen, wie unterschiedlich man sich entwickeln kann, ich persönlich finde es aber eher schade und es lässt mich an der Konstruktion der Charaktere zweifeln. Nur weil die Autorin manchmal etwas schreibt wie: „Er glaubt schon immer eine Seite in sich gehabt zu haben, die so und so aussieht“ – ein Querverweis auf eine der anderen Lebensvarianten – bedeutet das nicht, dass dies auch für den Leser spürbar ist, denn das hat leider selten funktioniert.

Am Ende hat mich das Buch mit den vielen Perspektivwechseln ermüdet. Die verschiedenen Kinder und Kindeskinder waren eine anonyme Masse, aus denen ich niemanden mehr zuordnen konnte. Meiner Meinung nach ist es ihr nicht gelungen, wirklich prägnante Verläufe zu schaffen, alles floss immer wieder ineinander, sodass ich am Ende froh war, endlich einen Schlussstrich unter Evas und Jims drei Geschichten ziehen zu können. Die Bemerkungen am Ende, wenn die Charaktere noch einmal zurückblicken und sich an diesen Moment entsinnen, der ja alles verändert hat, das wirkte erzwungen auf mich, oberflächlich und plakativ. Ja, Leben können anders verlaufen, aber dieser eine Moment war zu trivial, um daraus einen entscheidenden „Was wäre wenn“-Verlauf zu konstruieren. Mir ist zu wenig deutlich geworden, warum Variante 1 jetzt beispielsweise Jim künstlerisch nicht fördert, während Variante 2 das tut. Da hätte ich mir mehr gewünscht, deutlichere Entwicklungen, die auf diesem Moment basieren.

Und was sagt es mir am Ende? Für mich war der Roman weder ein Plädoyer für die Liebe noch eine warmherzige Geschichte (wie es auf dem Klappentext angekündigt wurde). Im Gegenteil, keine der drei Lebensversionen wirkte auf mich für die Charaktere erfüllend oder angenehm. Sicher gibt es immer ein Auf und Ab im Leben, aber ich hatte hier nicht den Eindruck, dass Jim und Eva eine Bereicherung füreinander sind, sondern eher der Untergang. Es sei denn, sie begegneten sich nur kurz – dann funktioniert es vielleicht. Um aus diesem Gedanken aber eine Faszination für die Verläufe zu generieren, war es wieder nicht deutlich genug.

Also: Ich habe mich sehr auf dieses Buch gefreut, muss nun aber feststellen, dass die Konstruktion ihre Schwächen hat. Prinzipiell fand ich die Geschichten alle interessant, aber ich glaube, ich hätte lieber nur ein Buch über Jim und Eva gelesen – eine Version. Der Mehrwert der drei Varianten hat sich mir leider auch nicht ganz erschlossen, es wirkte alles eher oberflächlich bedeutungsschwanger. Dennoch ist das Buch schön geschrieben und wenn die Autorin das nächste Mal bei einer Geschichte bleibt, könnte ich mir vorstellen, wieder zuzugreifen.

„Drei mal wir“ von Laura Barnett ist unter der ISBN 978-3-463-40659-6 bei Kindler als Hardcover erschienen.

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