Habt ihr schon einmal eine Eule in freier Wildbahn gesehen? Nein? Mir ging es vor kurzem auch so. Die scheuen Nachtwesen sind für mich Geschöpfe, die man höchstens mal im Zoo zu Gesicht bekommt. Doch nun brütet ein Eulenpaar direkt vor meinem Balkon.
Es fing ganz harmlos an: Im April beobachtete ich, wie Elstern ein Nest auf der Spitze der hohen Tanne direkt vor meinem Balkon bauten, ungefähr zehn Meter Luftlinie entfernt. Ich habe mich schon darauf gefreut, den Elsternachwuchs beobachten zu können.
Dann war ich eine Woche verreist und als ich zurückkam, hörte ich nachts plötzlich junge Vögel schreien. Die armen kleinen Elstern, dachte ich, bis mich einen Tag später meine Nachbarin aufklärte, dass dort keine Rabenvögel brüten, sondern Waldohreulen. Waldohreulen bauen selber keine Nester sondern bewohnen die verlassenen Bauwerke von Krähen oder Elstern. Warum die Elstern ihr Nest aufgegeben haben, an dem sie noch Anfang des Jahres so fleißig bauten, weiß ich nicht, aber die neuen Bewohner sind ausgesprochen spannend.
Mindestens ein Elternteil sitzt tagsüber auf einem Nachbarbaum dicht bei dem Nest und gibt regelmäßig „Pfeifgeräusche“ von sich. Und wenn es anfängt zu dämmern, betreten die kleinen Ästlinge die Außenwelt: Sie beginnen in der Tanne herumzuturnen, kleine weiße Federknäule. Das sieht bisweilen ziemlich putzig und unbeholfen aus. Bisher habe ich drei von ihnen entdecken können.

Könnt ihr die drei kleinen Ästlinge erkennen?
Leider ist es schwierig, im Dunkeln Bilder von ihnen zu machen. Dafür gelingt es mit Tonaufnahmen umso besser, denn junge Eulen können ziemlich laut sein. Fast dauerhaft fiepen sie in die Nacht hinein. In der ersten Nacht war es wirklich gewöhnungsbedürftig, aber mittlerweile habe ich mich an die Geräuschkulisse gewöhnt.
Ich liebe es, gegen zehn Uhr abends, wenn es dämmert, auf den Balkon zu gehen und den weißen Ästlingen zuzusehen, wie sie von Ast zu Ast hüpfen. Mittlerweile ist es eine Routine für mich geworden, ein Abschließen des Tages, eine Möglichkeit, die Gedanken zur Ruhe kommen zu lassen. Ich liebe meine kleinen flauschigen Eulen und freue mich schon darauf, sie weiter beobachten zu können.
Und zum Abschluss gibt es noch ein äußerst professionelles Handyvideo, auf dem ich die Rufe der Ästlinge eingefangen habe. Oder zumindest den Ruf eines kleinen Ästlings, häufig rufen sie auch alle durcheinander, aber natürlich nicht dann, wenn man es aufzeichnen möchte.