Das Jahr, in dem ich lügen lernte – Lauren Wolk

Foto des Buches Das Jahr, in dem ich lügen lernte – Lauren Wolk

Mut, Zusammenhalt und Vertrauen sind die zentralen Themen dieses Buchs für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren. Darin erfährt Annabelle, welch zerstörerische Kraft Vorurteile und Lügen haben.

Annabelle, die elfjährige Protagonistin des Romans, lebt mit ihren Eltern und ihren beiden jüngeren Brüdern auf einer Farm in Pennsylvania. Es ist das Jahr 1943. Die Atmosphäre ist idyllisch, auch wenn das Leben auf der elterlichen Farm nicht leicht ist und der Krieg immer wieder mitschwingt. Doch dann wird der idyllische Alltag von Annabelle aufgewirbelt. Ein neues Mädchen kommt in die kleine Stadt und Betty ist auf Krawall gebürstet. Als Opfer hat sie sich Annabelle ausgesucht. Als diese sich wehrt, steht ihr der zurückgezogen lebende Toby zur Seite – und wird damit das neue Ziel von Betty.

Dieses Buch zeigt, dass Fake-News ein zeitloses Thema sind – ganz ohne Smartphone haben Bettys Geschichten eine große Macht, sodass die Wahrheit nur schwer ans Licht findet. Sie bedient sich der Vorurteile der Menschen, um Unfrieden zu säen.
Lauren Wolk hat kein glückliches Buch geschrieben, im Gegenteil. Am Ende gibt es keine Gewinner. Die Aussage ist klar: Intrigieren lohnt sich nicht, für niemanden. Stattdessen kann so ein Mensch, der Ärger sucht, viele weitere ins Unglück stürzen.

Ich wollte, dass Betty dahin verschwand, wo sie hergekommen war.
Ich wollte die Uhr zurückstellen, zurück zu der Stunde, bevor Betty zu uns kam. Ich wollte alles rückgängig machen, alles aus meinem Gedächtnis streichen. Wollte wieder die sein, die ich vor Betty gewesen war: ein Mädchen, das nie gebetet hatte, ein andere möge am ganzen Körper Blasen bekommen. Ein Mädchen, das niemals auch nur auf so eine Idee gekommen wäre.
 Das Jahr, in dem ich lügen lernte, Lauren Wolk, S. 62

Eine Sache stört mich allerdings ganz erheblich: Der Leser erfährt nicht genau, was Betty antreibt. Ist sie einfach nur unglücklich? Möchte sie um jeden Preis die Aufmerksamkeit ihrer Eltern erregen, die getrennt leben und sie zu ihren Großeltern geschickt haben? Diese Fragen haben mich beschäftigt und umso mehr ärgerte ich mich, wenn ihr Verhalten als „böse“ abgetan wurde, auch wenn das vielleicht nur Annabelles jugendliche Sicht war.

Von dieser Ausnahme abgesehen, ist Lauren Wolks Charakterzeichnung sonst wunderbar. Annabelle ist eine sympathische Heldin, die sich im Buch Schritt für Schritt weiterentwickelt. Ihre Brüder waren mir beide sympathisch und ihre Eltern haben das Buch mit ihrer offenen und unvoreingenommenen Art stark bereichert. Toby ist ein ganz eigener Held, der stark ausgeprägte Moralvorstellungen hat und doch immer wieder an sich und der Welt zweifelt.

Mich hat das Buch zum Nachdenken angeregt und die verschiedenen Charaktere haben mir viel Freude bereitet. Mir gefällt es, dass diese Geschichte nicht Friede-Freude-Eierkuchen ist, trotz der anfangs sehr idyllischen Atmosphäre. Schnell wird klar, dass unter der fröhlichen Dorffassade einige Geheimnisse versteckt sind.

Das Buch ist als Hardcover unter der ISBN 978-3-446-25494-7 beim Hanser Verlag erschienen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert