Der goldene Handschuh – Heinz Strunk

Foto des Buches Der goldene Handschuh von Heinz Strunk

Ein Gesellschaftsroman der häufig abschreckt, stellenweise wehtut, immer wieder Mitleid erregt. Keine leichte, aber eine gute Lektüre.

Als ich Anfang 2016 an der Kasse einer Buchhandlung gearbeitet habe, ging dieses Buch häufig über die Ladentheke. Allerdings wusste ich nicht, worum es eigentlich geht oder was die Leser erwartet, doch mein Interesse war geweckt. Als nun das Taschenbuch herauskam, habe ich es spontan gekauft – weiterhin ohne zu wissen, was eigentlich auf mich zukommt.

Der Roman beginnt mit einer detaillierten, schonungslosen Beschreibung einer Frauenleiche. Wer meint, danach würde die Lektüre einfacher werden, der täuscht sich. Denn genauso  schonungslos, wie Strunk die Frauenleiche beschreibt, genauso geht er auch mit seinen Charakteren um. Dabei steht keinesfalls nur Fritz Honka im Mittelpunkt, sondern auch andere Personen, die aus den verschiedensten gesellschaftlichen Schichten stammen. Niemand kommt hier gut weg.

Mit dem Einstieg in den Roman hatte ich so meine Schwierigkeiten. Denn auf den ersten Seiten werden alle regelmäßigen Gäste des Goldenen Handschuhs, der Kneipe, in der Fritz Honka die Frauen aufgelesen hat, vorgestellt. Vermutlich lag es an meinem Müdigkeitspegel, dass ich in diese Stelle nicht ganz hereingekommen bin. Danach war das Buch aber umso fesselnder.

Heinz Strunk spielt mit der Sprache. Nicht nur den Hamburger Dialekt fängt er wunderbar ein, sondern auch die Gedankengänge seiner Protagonisten. Er springt zwischen der Innen- und der Außenperspektive. Es fühlt sich an, als würde man immer wieder direkt in die verschiedenen Köpfe hineinblicken. Das ist stellenweise schockierend. Viele Gedankengänge sind menschenverachtend. Doch eine Sache wird deutlich: Egal, wie sich die verschiedenen Menschen im Roman verhalten und was sie denken: Sie alle suchen Nähe und Anerkennung. Und so sind Gefühle wie Mitleid nicht weit entfernt.

Im «Handschuh» kann man gut Frauen kennenlernen, viel besser als im «Lehmitz», im «Schlusslicht» oder im «Elbschlosskeller». Wählerisch darf Fiete nicht sein, zerprügelt, zerschunden und zermörsert wie er ist. Bei Frauen seines Alters ist er chancenlos, die bleiben unerreichbar, undurchschaubar, unberechenbar. So lange er denken kann, hatte er Ältere, richtige Omas teilweise. Ihm ist das mittlerweile egal, er würde zur Not auch eine mit Amputation nehmen oder mit drei Arschlöchern.
 Der goldene Handschuh, Heinz Strunk, S. 25

»Der Goldene Handschuh« ist kein einfacher Roman. Er beschäftigt sich mit gesellschaftlichen Abgründen. Stellenweise fühlte ich mich an die Diskussion um »Berlin Alexanderplatz« erinnert: Möchte man von diesen Abgründen lesen? Ja, möchte man. Auch wenn es einen an Grenzen führt, auch wenn es manchmal wehtut.

Nach der Lektüre bin ich etwas ratlos zurückgeblieben. Es ist, als hätte Heinz Strunk einen Vorhang gelüftet, einem einen Blick in eine fremde Welt gestattet und einem damit die Augen geöffnet. Verkommenheit wird es immer geben. Auch in unserer Realität, auch wenn wir sie nicht auf den ersten Blick sehen. Sie lauert überall. Von mir gibt es also eine klare Leseempfehlung!

Das Buch ist als Taschenbuch unter der ISBN 978-3-499-27127-4 beim Rowohlt Verlag erschienen.

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