Izy ist eine Suchende, sie sucht nach ihrer Identität, ihrer Heimat und einem Platz für die Zukunft. »Superposition« ist ein eindringlicher, aber auch chaotischer Roman, der dem Leser nur kurz einen Einblick in das Leben seiner Protagonistin gewährt.
Izy Lewin ist eine junge Jazzpianistin, die gerade ihren ersten richtig großen Auftrag an Land gezogen hat. Doch ihre Gedanken kreisen um ganz andere Dinge: Allen voran Timur, der für sie Heimat verkörpert, doch in einer anderen Beziehung steckt. Aber wohin gehört Izy eigentlich? Als Tochter jüdischer Einwanderer aus Russland weiß sie es selber nicht genau. Diese Frage treibt sie um, lässt sie durch Berlin taumeln wie eine Fremde.
Ausschnittweise blickt der Leser in Izys Leben, lernt ihre Freunde kennen, wird mit verschiedenen Begegnungen konfrontiert. Partys mit viel Alkohol und Drogen, Autofahrten an den Wannsee mit selbst gesungener musikalischer Untermalung, Freunde auf dem Selbstfindungstrip – in all diesen verschiedenen Situationen begleitet man Izy, hat aber stets nur das Gefühl, einen kurzen Blick auf ihr Leben zu erhaschen. Trotz dieser Distanz meine ich, sie so gut kennengelernt zu haben, dass ich ihre Träume und Wünsche verstehe. Ihre Gedanken kreisen immer wieder um Timur, der ihr das gibt, was sie sonst überall vergeblich sucht: Das Gefühl, angekommen zu sein. Doch leider ist er unerreichbar und somit handelt es sich auch bei diesem Gefühl nur um einen Trugschluss. Izy scheint immer wieder zu scheitern bei ihrer Suche – ohne dass sie sich dessen bewusst ist.
Während ich am Straßenrand stehe und warte, zähle ich sieben verliebte Paare, drei entliebte und massenweise hoffende, einsame Satelliten jeden Alters an mir vorbeiziehen. Was, wenn ich einfach verschwinden würde. Und alle bleiben. Ein Scheißtag ist das wieder. Wieder ohne dich. Weil ohne dich.
Superposition, Kat Kaufmann, S. 24
Kat Kaufmann hat einen jungen, emotionalen Roman mit großer Wucht und durchaus derbem Sound geschrieben. Ihre Wortkonstruktionen entwickeln eine große Sogkraft. Gleichzeitig stelle ich mir die Frage: Wie viel von Kat Kaufmann steckt in Izy Lewin? Die Biographie hat einige Parallelen. Ein biografisch angehauchter Roman der Gegenwartsliteratur mit starker Schreibe: Hier steckt Potenzial. Doch etwas fehlt mir, ohne dass ich direkt in Worte fassen kann, was es ist. Vielleicht ein wenig mehr Klarheit in den aneinandergereihten Szenen? Die Möglichkeit, die auftretenden Personen noch etwas besser zu erfassen? Ganz nahe gekommen sind mir Izy, ihre Probleme und ihre Freunde nicht, lediglich eine Szene bei ihren Eltern hat es geschafft, mich stärker zu berühren.
Auch wenn ich Izy mag in ihrer unhöflichen, egozentrischen, kaltschnäuzigen Art (ja, ein Sympathieträger ist die Gute nicht unbedingt, aber dadurch auch ehrlich und realistisch), habe ich das Gefühl, dass ihre Suche hoffnungslos ist. Dass ihre Sehnsucht nach einer Heimat niemals in dem Ausmaß gestillt werden kann, in dem sie es sich erhofft. Dadurch stagniert sie immer weiter. Ich habe mir gewünscht, dass sie noch eine Befreiung erlebt, ein Loslösen der Ketten, die sie sich selber auferlegt hat und die sie immer wieder zu Timur zurückführen, der doch auch nur ein Trugbild ist. Doch leider geschieht das nicht in dem Maße, in dem ich es für Izy und mich erhofft hätte. Erkenntnis auf ihrer Seite? Fehlanzeige. Das Ende des Romans zieht sich für mich etwas zu sehr – nachdem es seitenweise zu stark in die Traumwelt abdriftet, hat es zwar noch einen Aha-Effekt, den man auch als mahnenden Zeigefinger an Izy interpretieren könnte, allerdings war er mir im Vergleich nicht stark genug.
Mein Fazit: Der Roman hat durchaus Potenzial, ich mag den Schreibstil und die Themen. Doch ich hatte selten das Gefühl, etwas wirklich Neues zu lesen und gleichzeitig konnte ich die Distanz zur Protagonistin nicht durchbrechen. Daher: Leider nicht ganz mein Fall.
Andere Bloggerstimmen – stöbert mal rein, wenn euch der Roman interessiert:
- »Aber nach der Lektüre von ca. 50 Seiten stellte ich fest, dass ich mal wieder einem literarischen Hype aufgesessen bin. Denn dieses Buch ist in meinen Augen alles andere als ausgezeichnet. Es ist aufgesetzt, wirkt irgendwie krampfhaft gewollt und hat mich am Ende nur noch genervt.« Buchrevier
- »Kat Kaufmanns Superposition scheint mir eines der meist fehlrezensierten Bücher am Markt zu sein.« Koreander
- »Zeitweilig schafft es „Superposition“ durch die formulierte Medienkritik und Selbstironie einen subversiven, thematischen Mehrwert herzustellen. Dieser zerbröselt jedoch zu oft durch Vorurteils-Denken und ironiefreie Angst, nicht cool zu sein.« Globale
Der Roman ist bei Ullstein als Taschenbuch unter der ISBN 9783548288529 erschienen.
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