Die Ermordung des Commendatore 1: Eine Idee erscheint – Haruki Murakami

 

Die Ermordung des Commendatore 1: Eine Idee erscheint – Haruki Murakami

»Eine Idee erscheint« heißt der neue Roman von Haruki Murakami. Tatsächlich fasst dieser Untertitel den Roman sehr gut in Worte: Ideen erscheinen und schleichen sich in meinen Kopf. Die neue Geschichte von dem japanischen Autor hat mich wieder einmal gefesselt.

Der namenlose Protagonist von Murakami ist ein Maler, der sich mit Auftragsarbeiten über Wasser hält. Er selber bezeichnet sich als passablen Porträtisten, seiner Kunst ist er schon lange nicht mehr nachgegangen. Als seine Frau sich unerwartet von ihm trennt, kehrt er seinem bisherigen Leben den Rücken, bricht mit seinem Beruf als Porträtist und zieht in ein kleines Haus an einem Berghang. Ein guter Studienfreund stellt sie ihm zur Verfügung, dort lebte einst sein Vater, ein berühmter Nihonga-Maler. Unser Protagonist begibt sich in dieser neuen Umgebung auf dessen Spurensuche, auf die Suche nach seinem eigenen Selbst und geht außerdem einem mysteriösen Geheimnis auf den Grund.

Atmosphäre kann Murakami. Ich habe das Gefühl, gemeinsam mit seinem Protagonisten in dem kleinen Haus am Hang des Berges zu leben, seine Gedanken zu teilen, die er angenehm unaufgeregt an den Leser weitergibt. Er muss sich finden, sucht eine neue Balance, doch anstatt in Verzweiflung zu verfallen blickt er ruhig seiner Zukunft entgegen und konzentriert sich ganz auf sein neues Leben. Viel passiert tatsächlich nicht in diesem Buch. Dennoch hat es mich fasziniert. Es gibt ruhige Szenen, leicht gruselig-fantastische Szenen, mysteriöse Charaktere und wunderliche Charaktere. Viele offene Fragen. Und dabei einen geduldigen und fesselnden  Erzählrhythmus.

Das ist die typische Murakami-Atmosphäre vor: Ruhig, und ein wenig surreal. Obwohl gar nicht viel passiert, entwickelt die Erzählung eine unglaubliche Sogwirkung, sodass die Seiten unter meinen Fingern nur so geflogen sind. Dieses Buch war spannender als so mancher Krimi, auch wenn es weder Tote noch blutige Szenen gibt. Wie funktioniert das? Diese Frage stelle ich mir immer wieder und finde doch keine Antwort darauf.

Der Protagonist tritt selber als Erzähler seiner Geschichte auf und nimmt eine auktoriale Perspektive ein. Bestimmte Informationen teilt er früh mit dem Leser, andere streut er nach und nach ein. Grundsätzlich folgt er aber seinen Erlebnissen in dem kleinen Haus im Berghang. Wenn der Protagonist an die Vergangenheit erinnert wird, schildert er seine Erlebnisse auch dem Leser. Die kleinen vorweg eingestreuten Andeutungen sowie der mysteriöse Prolog tragen aber stark zur Spannung des Buches bei.

Eine Idee erscheint heißt der erste Band der zweiteiligen Geschichte. Und es stimmt: Viele Fragen wurden in dem ersten Band tatsächlich nicht geklärt, stattdessen wurden viele Fragen aufgeworfen. Ideen erscheinen, keine Lösungen, keine Erkenntnisse. Ich denke, der zweite Band wird noch fesselnder, denn ich möchte unbedingt wissen, wie es weitergeht. Eine Metapher wandelt sich heißt der zweite Band und erscheint am 16. April. Das ist noch eine lange Wartezeit, denn schon jetzt wünsche ich mir, weiterlesen zu können. Auch wenn es sich wirklich nicht um ein schlimmes Cliffhanger-Ende handelt (das wäre wohl auch unter dem Niveau des Geschichtenerzählers Murakami).

Ich habe schon lange kein Buch mehr von Murakami gelesen, dabei habe ich ihn früher verschlungen. Nach 1Q84 trat vielleicht eine Form der Erschöpfung ein. Umso schöner war es nun nach längerer Pause wieder in einen seiner Romane einzutauchen. Die Kritik, dass die Romane sich stark gleichen, kann ich durchaus nachvollziehen. Die Atmosphäre ist immer ähnlich, auch die Protagonisten gleichen sich. Nichtsdestotrotz ist jedes Buch für sich anders, auch wenn sich das Eintauchen in Murakamis Gedankenwelt anfühlt wie ein Nachhause kommen. Dennoch weiß ich nicht, wie es im zweiten Band der Reihe weitergeht. Wer mal ein ganz anderes Buch des Autors sucht, sollte sich Hard-boiled Wonderland und Das Ende der Welt anschauen, ein sehr frühes Werk aus seiner Feder. Es war mein erstes Murakami-Buch und ich habe es geliebt, da reicht für mich nach wie vor keines seiner anderen Bücher heran.

Von mir gibt es also eine klare Leseempfehlung für Personen, die ruhige Bücher (und Murakami) mögen. Hier wird einem das geboten, was man als Murakami-Leser erwartet. Eine lakonisch erzählte Geschichte, die eine ganz eigene Art von Spannung entfaltet. Ich warte voller Ungeduld auf den zweiten Band, der hoffentlich alle Fragen klären wird. Ein weiterer Pluspunkt: Normalerweise kommentiere ich nicht das Äußere von Büchern, aber die Erstausgabe mit dem Farbschnitt ist wirklich ein Hingucker.

Das Buch erschien bei Dumont als Hardcover unter der ISBN 978-3-8321-9891-6. Der zweite Band erscheint am 16.04.2018 unter der ISBN 978-3-8321-9892-3.

Weitere Stimmen zu dem Buch:

  • mscaulfield setzt auf den zweiten Band und hofft, dass die Geschichte dort richtig in Gang kommt.
  • Bingereader macht sich Gedanken darüber, was den Charme der Murakami-Bücher ausmacht. Sehr spannend!
  • letusreadsomebooks ist auf der Suche nach dem Cliffhanger und wünscht sich lieber ein dickes Buch als zwei Bände.

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